Eine neue Wohnung im Altbau? - Das Hamburger Abendblatt berichtet über eine Premiere
Aktualisiert: 6. Okt. 2023
Beim ersten Mal tut's noch weh, aber ganz so schlimm war es dann doch nicht. Wenn jedoch der Gesetzgeber unklare Gesetze formuliert, dann stellt die Umsetzung für die Praxis doch so manche Hürde auf, auf die man eigentlich gerne verzichtet hätte. Diese dennoch zu überspringen, braucht dann viel Anlauf.
§ 250 Absatz 1 Satz 3 Baugesetzbuch ist so ein Gesetz. Die Aufteilung eines Mehrfamilienhauses in einzelne Wohnungseigentumsrechte mit jeweils eigenem Grundbuch bedarf in ganz Hamburg auf Basis dieser Norm und einer Ausführungsverordnung seit fast zwei Jahren der Genehmigung, sofern es nicht nur um maximal fünf Wohnungen geht. Und nach Absatz 3 wird diese Genehmigung nur unter sehr, sehr engen Voraussetzungen erteilt:
"Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn ... 3. das Wohnungseigentum (...) zur eigenen Nutzung an mindestens zwei Drittel der Mieter veräußert werden soll"
Was das bedeutet, wusste vielleicht der Bundesgesetzgeber (eher aber nicht), verraten hat er es jedenfalls niemandem. Und es ist immer misslich, wenn man sich schon um die Auslegung streiten muss, kaum dass ein neues Gesetz in Kraft getreten ist.
Reicht für das "Sollen" die bloße Absicht des Eigentümers, in Zukunft nur an Mieter zu verkaufen, dann wäre das keine wirkliche Hürde. Oder aber es müssen bereits für die Aufteilung selbst schon notariell beurkundete Kaufverträge mit den Mietern vorliegen über Wohnungseigentumseinheiten, die es rechtlich aber noch gar nicht gibt und für deren Schaffung eine Genehmigung erst nach dem Verkauf überhaupt beantragt werden kann, weshalb unklar ist, ob es sie überhaupt jemals geben wird? Und was, wenn dann doch nicht alle Mieter die Verträge unterschreiben, einzelne aber bereits eine Finanzierungs-verpflichtung eingegangen sind?
Wie undurchsichtig und damit praktisch unwahrscheinlich dieser Vorgang durch solche Gesetzesformulierungen wird, zeigt die Statistik: In Hamburg hat es in zwei Jahren offenbar keine solche Aufteilung gegeben.
Ich hatte nun das Glück (oder mit Blick auf den Arbeitsaufwand auch Pech), Premierengast und zugleich Regisseur der Hamburger Premiere zu sein. Während über die notarielle Tätigkeit im konkreten Fall normalerweise Stillschweigen zu bewahren ist, haben hier die Mieter selbst dem Abendblatt Rede und Antwort gestanden, so dass ich auch etwas dazu schreiben darf.
Lange hat es wirklich gedauert und es waren genug komplizierte und zum Teil ungeklärte Rechtsfragen enthalten, um in einer juristischen Staatsexamensprüfung für sehr überschaubare Begeisterung bei den Teilnehmern zu sorgen. Wenn aber alle an einem Strang ziehen, die Behörden und Banken eingeschlossen, dann macht es doch am Ende auch Spaß.
Und wann ist man schon einmal wirklich der Erste im Bereich des Rechts?
Kurioserweise wurde beim ersten Mal gleich gegen den (überschaubar nützlichen) Wortlaut des Gesetzes "verstoßen". Denn tatsächlich hat hier nicht der Verkäufer die Aufteilung nach Genehmigung vorgenommen, um dann die gebildeten Wohnungseigentumseinheiten an die Mieter zu verkaufen. Vielmehr waren die Mieter selbst, die zuerst in Miteigentumsanteilen das ganze Grundstück mit Haus vollständig gekauft haben, um es danach auf Basis eines Teilungsvertrages, den sie aber schon vorher geschlossen hatten, aufteilen zu können.
Das bekannte Sprichwort wurde also umgedreht: Das Fell des Bären wurde verteilt, bevor er erlegt wurde. So konnten Eigentümer und Käufer anschließend einen einzigen Kaufvertrag unterschreiben – weil jeder Erwerber bereits sicher wusste, was er am Ende bekommen würde.
Damit war zugleich ausgeschlossen, dass es zwischen Erwerb und Aufteilung zu Streit um Formulierungen in der Gemeinschaftsordnung kommt. Und zugleich waren es die Mieter selbst, die sich als konkrete Nutzer (und bereits existierende Hausbewohner) um deren Inhalt gekümmert haben, was auch eine absolute Seltenheit ist.
Noch eine weitere Besonderheit: Weil nur 6 Mieter (aber dennoch mehr als zwei Drittel) kaufen wollten, galt es, für die verbleibenden zwei Einheiten Käufer zu finden. Vorteil hier: Wann kann man sich als Wohnungseigentümer seine Miteigentümer schon aussuchen?
Und trotz der geschilderten Abweichung vom Gesetzeswortlaut hat die Hamburger Verwaltung durch rechtlich hervorragende Auslegung der Norm die nötige Genehmigung erteilt. Denn wie könnte man das "Soll" des Gesetzes besser umsetzen als dadurch, dass die Mieter bei der zu genehmigenden Aufteilung bereits Eigentümer des Hauses geworden sind?
Wer auch noch von den eigenen Standard-Checklisten abweichen musste, waren die finanzierenden Banken. Deren Grundschulden konnten erst einmal nur auf dem ganzen Grundstück eingetragen werden, weil es zum Zeitpunkt der Kaufpreiszahlung die Wohnungsgrundbücher noch gar nicht gab. Das war in der Kommunikation kein Selbstläufer, um es einmal vorsichtig zu formulieren.
Aber weil man abschließend nicht den Gesetzgeber kritisieren sollte, ohne wenigstens einen Verbesserungsvorschlag zu haben, kommt hier einer:
§ 250 BauGB (Jeep'sche Fassung)
Bildung von Wohnungseigentum in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten
(1) In von der Landesregierung durch Rechtsverordnung festgelegten Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten darf durch die Aufteilung von Bestandsimmobilien entstandenes Wohnungseigentum für fünf Jahre nur an Mieter verkauft werden.
(2) Mieter im Sinne dieser Norm ist, wer seit wenigstens einem Jahr vor Abschluss des Kaufvertrages als Bewohner der Wohnung gemeldet war. Dem gemeldeten Mieter stehen dessen Ehegatte, Lebenspartner, Eltern und Abkömmlinge gleich.
(3) Das Grundbuchamt darf die Umschreibung des Eigentums nur vornehmen, wenn ihm eine entsprechende Meldebescheinigung in beglaubigter Form vorgelegt wird.
Im tatsächlich geltenden § 250 BauGB stehen noch ein paar andere Ausnahmen, die ihre eigenen Probleme aufweisen und für die es ebenfalls bessere Formulierungen gäbe, aber dafür ist dies der falsche Ort.
So wie beschrieben wäre alles ganz einfach: Eine Aufteilung wäre jederzeit ohne Genehmigung möglich, aber nur Mieter könnten die Wohnung kaufen, dies ebenfalls ohne Genehmigungserfordernis, weil Notar und Grundbuchamt die Mietereigenschaft sicher prüfen würden.
Es könnte so einfach sein. Ist es nur nicht.